Leitlinien des Missionsmuseums zur Rückgabe von Kulturgut

Angestoßen durch einen Auftrag des französischen Präsidenten untersuchten die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und der senegalesische Ökonom Felwine Sarr die Bedingungen für eine Rückgabe von afrikanischem Kulturgut in französischen Museen an die Herkunftsländer. Der Bericht der beiden Wissenschaftler vom November 2018 setzte auch in deutschen ethnologischen Museen eine Diskussion in Gang.  

Als Sammlung mit völkerkundlichem Schwerpunkt ist das Missionsmuseum in diese Diskussion ebenfalls involviert. Die ca. 5000 Objekte des Museums umfassen Ausstellungsstücke aus den Missionsgebieten der Benediktiner von St. Ottilien im ehemaligen Deutsch-Ostafrika, in Südafrika und in Ostasien, v.a. in Korea. Etwa 5 % des Museumsbestands lassen sich dabei zu den „sensiblen“ Objekten (Masken, religiöse Gegenstände, Kunstwerke) zählen.

Da uns bereits Anfragen erreicht haben, möchten wir Ihnen in diesem Newsletter ausnahmsweise einmal keine aktuellen Neuigkeiten vorstellen, sondern die Position des Missionsmuseums zu diesem Thema darstellen.

  • Wir sind uns mit zahlreichen Wissenschaftlern einig, dass als Basis für die Rückgabe von Objekten eine Erforschung der Herkunft (Provenienzforschung) dienen sollte, wie sie das Missionsmuseum bereits seit 2011 mit wissenschaftlicher Unterstützung durch Ethnologen betreibt. Jedoch ist gerade bei missionsgeschichtlichen Sammlungen der Nachweis der Herkunft schwierig. Es wurden kaum Notizen gemacht oder die in Museen üblichen Eingangsbücher geführt. Herkunft und Art des Erwerbs vieler Objekte im Museum lassen sich daher nicht mehr zufriedenstellend klären.
  • Afrika ist ein multinationaler Kontinent mit einer Vielzahl unterschiedlicher Ethnien. Um eine "gerechte" Rückgabe sicherzustellen, sollte eine Rückgabe nur an die Regierung souveräner Staaten erfolgen. Dies kann auch verhindern, dass zurückgegebene Objekte verkauft werden und in den Kreislauf des internationalen Kunstmarkts gelangen. Für uns steht daher fest, dass eine Rückgabe von Objekten nur auf Anfrage der jeweiligen Regierung und nach Absprache erfolgt.
  • Die Infrastrukturen der Museen in den Herkunftsländern sind verschieden und eine adäquate Unterbringung der zurückgegebenen Objekte sollte sichergestellt sein. Dies ist in einigen Museen durchaus der Fall und könnte mit europäischer Unterstützung auf andere Häuser ausgeweitet werden. Eine Stärkung der Kultur- und Museumspolitik und vor allem der Stellenwert von Museen v.a. im afrikanischen Raum wäre wünschenswert.
  • Festzuhalten ist, dass im ausgehenden 19. Jahrhundert eine Sammeltätigkeit, wie sie die meisten ethnologischen Museen in Deutschland betrieben, weder illegal war noch als problematisch gesehen wurde. Die Anerkennung des Unrechts ist ein erster wichtiger Schritt, jedoch sollte der weitergehende Fokus für beide Seiten im Austausch und in einer gemeinsamen Lösungsfindung liegen. 
  • Es ist zu bedenken, dass eine Migration der Objekte in einer globalisierten Welt nicht einfach umgekehrt werden kann. Eine komplette Entflechtung ("alle afrikanischen Objekte zurück nach Afrika") würde das generelle Konzept von Museen auflösen. Kunst als weltweites Erbe der Menschheit soll und darf auch global zirkulieren.  Wir stellen fest, dass z.B. die Präsentation der koreanischen Kultur im Museum bei unseren Besuchern auf großes Interesse an dem in Deutschland wenig bekannten Land stößt. Aber auch die koreanische Community in Deutschland zeigt sich sehr interessiert an der Sammlung.
  • Die europäische Diskussion über die Rückgabe von Objekten an die Herkunftsländer ist wichtig, wir vermissen aber gerade für Afrika den Blick auf die Bedürfnisse der Herkunftsgesellschaften. Nur interkultureller Dialog kann den "europäischen Blick" auf die Fremde relativieren und verhindern, dass eine Rückgabe nach europäischen Konditionen erfolgt.

    Umgekehrt sind auch die afrikanischen Gesellschaften gefordert, die nach dem erlittenen Unrecht durch koloniale Strukturen auch nach Jahrzehnten ihre Identität noch nicht wieder gefunden haben. Das Bewusstsein des Wertes der Objekte für die Identifikation mit der eigenen Kultur vermissen wir bei vielen unserer afrikanischen Besucher.
  • Museen verstehen sich als Bewahrer des Kulturerbes, auch und besonders von Kulturen, die sich der Wichtigkeit ihrer eigenen Wurzeln (noch) nicht bewusst sind. Es wird oft unterstellt, dass dieses Prinzip der Treuhänderschaft dem kolonialistischen Denkansatz Vorschub leistet, der eine Rückgabe von Objekten verhindern will.

    Wir sehen dies differenziert. Das Missionsmuseum konserviert u.a. die afrikanische Lebenswelt zu Beginn des 20. Jh., die im heutigen Afrika fast vollständig verschwunden ist. Wir sehen uns durchaus als Bewahrer dieser Kultur, würden aber den Kontakt mit Source Communities (Herkunftsgesellschaften) sehr begrüßen.

Die Leitlinie des Missionsmuseums für eine eventuelle Restitution von Objekten lässt sich am Beispiel der Kooperation mit Korea verdeutlichen. 

Die Regierungsorganisation Overseas Korean Cultural Heritage Foundation (OKCHF) trat 2011 an das Missionsmuseum heran, um mit uns eine Strategie für die Präsentation der koreanischen Objekte im Museum zu erarbeiten. Im Zuge der Sanierung und Umgestaltung des Museums wurde dieses Konzept umgesetzt. Mit Unterstützung des OKCHF wurde der gesamte koreanische Objektbestand in den letzten Jahren wissenschaftlich untersucht und aufbereitet.

Ziel des OKCHF ist primär nicht die Restitution von Objekten, sondern die adäquate Präsentation der koreanischen Kultur in Museen weltweit. Im Laufe der Zusammenarbeit wurden vom Museum einige Objekte als Dauerleihgabe an staatliche Institutionen in Korea überlassen, z.B. ein Album mit Seidenbildern des koreanischen Landschaftsmalers Jeong Seon aus dem 17. Jh. Weitere Objekte gingen als Schenkung zurück nach Korea, u.a. ein seltener Militärmantel vom Beginn des 20. Jh.: