Koreanischer Kerzenleuchter (chotdae)

Sammler des Kerzenleuchters war Erzabt Norbert Weber (1870-1956), der im Rahmen der Koreamission zweimal die damals noch ungeteilte Halbinsel bereiste. Er erwarb den Leuchter neben anderen Kunstgegenständen auf seiner Reise 1924/25, bei der er seine Mitbrüder im Kloster Tokwon (nahe der Hafenstadt Wonsan im heutigen Nordkorea) besuchte und von dort einen Abstecher zu den nahegelegenen Diamantbergen machte.

In seinem nachträglich verfassten Reisebuch „In den Diamantbergen Koreas“ (1927) schrieb er:

"Hier freue ich mich die Bemerkung einflechten zu können, daß es mir glückte, einen herrlichen Leuchter zu bekommen […]. Er entstammt der Zeit, in der in Korea Kunst und Kunsthandwerk blühten, und stand jedenfalls, aus seiner ungewöhnlichen Größe zu schließen, einst in einem Tempel."

Die Herkunftsregion

Die Diamantberge (kumgangsan), eine eng umgrenzte Gebirgsregion nahe der Grenze zu Südkorea, sind seit vielen Jahrhunderten für ihre landschaftliche Schönheit, den Pflanzenreichtum und seltene Tierarten bekannt. 

Zur Herkunft des Namens „Diamantberge“ gibt es mehrere Theorien; eine davon leitet die Bezeichnung von den in der Sonne funkelnden scharfen Felsspitzen aus Granit ab. Eine andere Legende besagt, dass der Name seinen Ursprung im Diamant-Sutra hat, einem der wichtigsten heiligen Texte des Mahayana-Buddhismus. Der Titel des Sutra weist auf die vollkommene Weisheit hin, die „so scharf ist, dass sie sogar einen Diamanten spalten kann“. Die Zuweisung des Namens ist vor dem Hintergrund verständlich, dass die Diamantberge für viele Jahrhunderte das Zentrum des koreanischen Buddhismus waren, der sich im 3. Jh. von Indien über China kommend in Korea ausbreitete und bis zum Ende des 14. Jh. Staatsreligion war.

Die Diamantberge in der Kunst

Die Diamantberge sind für Koreaner ein romantischer Sehnsuchtsort, vergleichbar dem Rheintal in Deutschland. Der kumgangsan war jahrhundertelang Ziel für Maler und Dichter. Aufgrund des aktuellen politischen Klimas kann die Region derzeit nicht mehr bereist werden und bleibt daher auch heute geheimnisvoll.

2018 fand im Metropolitan Museum of Art in New York die Ausstellung „Diamond Mountains: Travel and Nostalgia in Korean Art“ statt, die sich dem Thema widmete. In der Ausstellung war auch ein Seidenbild des berühmten koreanischen Landschaftsmalers Jeong Seon (1676–1759) zu sehen, das im Besitz der Erzabtei ist und seit sich 2015 mit weiteren 20 Blättern eines Albums als Dauerleihgabe im National Palace Museum in Seoul befindet.

Details zum Leuchter

Erzabt Norbert Weber datierte den Leuchter korrekt in die Zeit der Joseon-Periode, die zu Ende ging, als die Missionsbenediktiner 1909 ins Land kamen. Während der folgenden japanischen Besetzung ab 1910 war diese Glanzzeit koreanischer Kultur nur noch durch die zahllosen, günstig zum Verkauf stehenden Kunstgegenstände präsent. Norbert Weber und seine Mitbrüder bemühten sich, wertvolle Gegenstände aufzukaufen, um sie vor dem endgültigen Verschwinden zu bewahren. Die Experten der Overseas Korean Cultural Heritage Foundation (OKCHF) aus Seoul, die den Leuchter im Rahmen der Provenienzforschung im Museum wissenschaftlich untersuchten, ordnen ihn in die Zeit des späten 19. Jahrhunderts ein.

Der aus Boden, Ständer und zwei Kerzenschirmen bestehende 84 cm hohe zerlegbare Leuchter ist für zwei Kerzen auf verschiedenen Stufen ausgelegt.  

Auffallend sind die beiden Leuchterschirme in Blattform zum Aufstecken, die zum einen dafür sorgen, dass die Flamme bei Zugluft nicht verlöscht, die aber auch das Licht reflektieren und dadurch die Helligkeit verstärken. An beiden Schirmen ist ein Fledermaus-Dekor zu sehen (ein Symbol für Glück), dazwischen das chinesische Schriftzeichen hui (doppelte Freude).

Die drehbare Fahne unter dem oberen Leuchterschirm zeigt in durchbrochener Arbeit zwei Drachen, die eine yeouiju (Zauberperle) halten, dazu am Fahnenrand ein eidechsenähnliches Fabeltier. In der asiatischen Mythologie sind Drachen gutartige, magische Geschöpfe, die Wolken und Regen bringen; sie werden daher mit der Fruchtbarkeit des Landes in Verbindung gebracht.  

Die Zauberperle, auch cintamani genannt, ist in hinduistischer und buddhistischer Tradition ein wunscherfüllendes Juwel, ähnlich dem Stein der Weisen in der europäischen Alchemie. Wer das yeouiju beherrscht, soll die Fähigkeiten zur Allmacht und zum willkürlichen Erschaffen besitzen. Es wurde angenommen, dass nur Drachen mit vier Zehen (die auch Daumen haben, um die Perle zu halten) weise und stark genug waren, um das Juwel zu beherrschen.

Das Motiv der Drachen mit der Zauberperle ist ein Indiz, dass es sich bei dem Leuchter um einen Gegenstand aus einem königlichen Haushalt gehandelt haben muss. Die Inventarliste des Museums beschreibt das Exponat als Geschenk aus einem solchen Haus an einen Tempel. 

Der Leuchter hat reiche Verzierungen in Silbertauschierung, einer alten Handwerkskunst, die in Asien viel eingesetzt wurde. Dabei wird das weichere, farblich kontrastierende Silber in ein härteres Metall (hier Eisen) eingeschlagen. Die Stange ist mit ziseliertem Pflanzendekor verziert, darunter zehn Symbole für langes Leben.

Der wie ein Teller mit Rand geformte Boden ist in drei Kreise geteilt: in der Mitte eine achtblättrige Blüte, im zweiten Kreis Drache, Bambus und eine grasähnliche Pflanze. Den Rand des Bodens zieren (indische) Sanskrit-Schriftzeichen und eine Pflanzen-Gravur.

Der Leuchter ist im Untergeschoss des Museums in der Vitrine „Religionen Koreas“ ausgestellt.