Auf dieser Seite beantworten wir Fragen zur Provenienzforschung, zum Erwerbskontext der Museumsbestände und zum postkolonialen Diskurs.
Weitere Themenkreise sind der Umgang des Museums mit dem kolonialen Erbe und der Dialog mit den Herkunftsgesellschaften.


Für Interessierte bietet das Museum mit drei Führungen in der Dauerausstellung die Möglichkeit zu persönlichem Austausch:

> "Alles gestohlen?" Provenienzforschung und Rückgaben des Museums
> Mission und Kolonialismus – eine Spurensuche

> Mission damals - und heute?


Sie möchten uns Ihre Fragen schriftlich stellen?
Schreiben Sie uns unter kontakt[at]missionsmuseum.de

Was ist das Besondere an Missionsmuseen?

Missionarische Sammlungen wurden nur in wenigen Fällen als ethnologisches Museum aufgebaut; sie entstanden in unsystematischer Sammel-
tätigkeit von Missionar*innen zu Ausbildungszwecken, als Mitbringsel, oder zum Verkauf zugunsten der Mission bzw. für Kunsthändler und Museen.

Gibt es Restitutions-
forderungen?

Bisher wurden keine Forde-
rungen aus Herkunftsgesell-
schaften nach Rückgabe gestellt. Wir sind offen für Dialog, das Restitutions-
konzept ist auf unserer Webseite veröffentlicht.
Anfragen können an das Museum oder an die Kontakt-
stelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten gerichtet werden.

Welche Provenienz-
quellen gibt es?

Unvollständige Eingangsbücher, Karteikarten mit unterschiedlichen Nummernsystemen, alte Objektschilder, eine kleine Anzahl an Dokumenten im Archiv der Erzabtei St. Ottilien sowie Hinweise in Tagebuchaufzeichnungen der Missionare und Chroniken des Klosters bilden die Quellen.

Wird die Sammlung aktuell noch erweitert?

Die Mehrzahl der Objekte wurde bis 1918 (Ostafrika) bzw. ca. 1950 (Südafrika) sowie zwischen 1909 und den späten 1930er Jahren (Korea) gesammelt. Danach wurde der Bestand durch einige Zukäufe aus dem Kunsthandel ergänzt. Seit 2014 werden nur noch Objekte mit Bezug zur Otti-
lianer Missionsgeschichte aufgenommen.

Hat das Museum kulturell sensible Objekte?

Etwa 9% des Museumsbestands haben wir als kulturell sensible Objekte identifiziert. Für die afrikanischen Sammlungen sind dies Gegenstände zu Initiation und Ahnenverehrung, Kriegs- und Zeremonialwaffen sowie Objekte traditioneller Heiler. Auch die Koreasammlung beinhaltet Objekte mit religiösem Bezug.

Was ist zum Erwerbs-
kontext bekannt?

Quellen nennen zum Objekt maximal Erwerbsregion, Ethnie und in ca. 50% der Fälle den Erwerber. Hinweise auf weitere Erwerbsumstände finden sich nur für manche koreanischen Objekte bzw. bei Zukäufen aus dem Kunsthandel. Da alle verfügbaren Quellen bereits ausgewertet wurden, lassen sich diese Lücken nicht mehr schließen.

Besitzt das Museum menschliche Überreste?

Im Missionsmuseum wurden keine menschlichen Überreste gesammelt, Zweck der Samm-
lungen war die Vermittlung der Alltagskultur in den Gebieten mit Tätigkeit der Missions-
benediktiner.
Alle Knochen, z.B. unter den Utensilien des Heilers oder als Bestandteil von Schmuck, sind eindeutig tierischen Ursprungs.

Wird koloniale Geschichte im Museum reflektiert?

Wir setzen uns seit 2019 intensiv mit Restitution sowie den kolonialen Verflechtungen der Mission auseinander und thematisieren dies auch in unseren Führungen. Als Baustein der Dekolonisierungsarbeit sind Interventionen in Planung, die unsere Beschäftigung mit dem postkolonialen Diskurs reflektieren.

Wie definiert das Museum
Postkolonialismus?

Wir verstehen den Begriff nicht als zeitliches "Danach" im Sinne politischer Unabhängigkeit, sondern als Konzept, das neben Dekolonisierung auch ein Be-wusstsein für den Fortbestand imperialer und eurozentrischer Strukturen auf geografischer, ökonomischer und religiöser Ebene bis in die Gegenwart hinein betont.

Wie ist der Stand der Provenienzforschung?

Die wissenschaftliche Prove-
nienzforschung wurde 2018 nach Auswertung aller verfüg-
baren Quellen abgeschlossen. Ausführung der Forschungs-
arbeiten durch Expert*innen des Museums 5 Kontinente (Ost-/Südafrika) sowie der Overseas Korean Cultural Heritage Foundation und asso-
ziierter Institutionen (Korea).

Werden Herkunftsge-
sellschaften eingebunden?

Für Ostafrika laufen derzeit Verhandlungen zu einer Kooperation, die Herkunftsgesellschaften in die Forschung einbindet.
Südkorea hat aufgrund seiner historischen Entwicklung und homogenen Gesellschaft keine ethnischen Minderheiten außer den dort lebenden Ausländern.

Was bedeutet Transparenz für das Museum?

Die kolonialen Bedingungen, unter denen die Objekte gesammelt wurden, sind eine Tatsache, der wir durch offenem, selbstreflexiven Umgang mit der Historie begegnen.
Darüber hinaus möchten wir auch unsere Besucher/innen informieren und für diese Themenfelder sensibilisieren.

Welche Bedingungen gelten für eine Rückgabe?

Die Rückgabe erfolgt an die Regierung souveräner Staaten, die dann im Sinne einzelner Herkunftsgesellschaften entscheiden kann. Wir sind offen für Bitten um Rückführung und erwägen selbst eine Rückgabe, wenn es sich um identitätsstiftendes Kulturgut handelt, ein Objekt forschungsrelevant ist oder Seltenheitswert hat.

Gibt es Unrechtskontexte im Museum?

Da sich aus den Quellen so gut wie keine Erwerbskontexte ablesen lassen, bleiben v.a. bei sensiblen Objekten (Speere, Masken usw.) Fragen offen. Aus der Provenienzforschung ergaben sich keine Un-
rechtskontexte, durch die kolonialen Herrschafts-
verhältnisse ist aber zumindest ein Ungleichheitskontext anzunehmen.

Waren Missionare Partner der Kolonialmächte?

Missions- und Kolonialgeschich-
te sind miteinander verwoben, die Missionsbenediktiner von St. Ottilien bewegten sich Umfeld kolonialer Strukturen.
Das Verhältnis der Missionare zu den Kolonialbehörden bewegte sich zwischen Nähe und Distanz, Letzeres v.a. dann, wenn Missionare für die lokale Bevölkerung eintraten.

Wie geht es weiter
im Missionsmuseum?

Neben der Mitarbeit in Fach-
gremien und Umsetzung der Interventionen zum kolonialen Diskurs bereiten wir den Aus-
tausch mit Herkunftsgesell-
schaften in Ostafrika vor.
Hier erwarten wir für uns ein hohes Lernpotenzial und ent-
scheidende Impulse für das Verständnis der Objekte und ihre Präsentation.

Welche kolonialen Kon-
texte gibt es im Bestand?

Objekte aus Deutsch-Ostafrika (Schutzgebiet des Dt. Reichs 1885-1918), aber auch Expo-
nate aus anderen formalen Ko-
lonialherrschaften wie Südafrika (brit. Protektorat, Commonwealth 1806-1961) und Korea (japan. Protektorat 1910-1945) zählen zu dieser Kategorie. Damit haben 99% des Bestands kolonialen Kontext.

Das Museum als Dialog-
raum der Kulturen?

Eine Präsentation als polykultureller Vergleich von Lebensstilen muss sich auch der Kritik stellen, Kulturalismus zu fördern. Wir möchten daher immer wieder in unseren Sonderausstellungen mit Einblicken in historische Machtverhältnisse und deren Auswirkungen in der Gegenwart einen weiteren Schwerpunkt setzen.

Ist der Name "Missions-
museum" noch zeitgemäß?

Die Sammlungen des Museums sind naturhistorisch und ethno-
logisch orientiert, zeichnen aber auch die Historie der Missionsbenediktiner nach und sind durch die Anbindung an die Erzabtei St. Ottilien geprägt. Eine Umbenennung wäre für uns eine unerwünschte Verschleierung des Kontexts dieser missionarischen Sammlung.

Kann Dekolonisierung im Museum gelingen?

Wir wissen: Es ist ein Wider-
spruch in sich, eine ethnologi-
sche Sammlung dekolonisieren zu wollen, ohne das Konzept "Museum" aufzubrechen - was uns aus diversen Gründen nicht möglich ist. Wir haben uns für einen Weg entschieden, der unsere Besucher begleitet und zum Lernen motiviert, ohne zu überfordern.