DIE KOREASAMMLUNG

Nach dem Russisch-Japanischen Krieg wurde Korea als Provinz Chosen ins Japanische Kaiserreich eingegliedert. Während der Kolonialzeit (1910 – 1945) wurde Korea wirtschaftlich und sozial modernisiert. Gleichzeitig wurden jedoch die Rechte der koreanischen Bevölkerung beschnitten, Kultur, Sprache und Religion unterdrückt.

Im Jahr 1908 besuchte der damalige Erzbischof von Seoul St. Ottilien und bat die Missionsbenediktiner um Unterstützung der Pariser Mission (Missions Étrangères) auf dem Bildungssektor. Seine Bitte wurde wohlwollend aufgenommen und 1909 erreichten die ersten Missionare Korea. Das Kloster St. Benedikt, das im gleichen Jahr in Seoul erbaut wurde, war bei seiner Erhebung zur Abtei im Jahr 1913 die erste Benediktinerabtei im Fernen Osten. Die Arbeit der Missionare war jedoch Überwachung und Repressionen vonseiten der japanischen Kolonialregierung ausgesetzt.

1921 übernahmen die Missionsbenediktiner ein Missionsgebiet im Norden Koreas, das bis zur zu China gehörenden Mandschurei reichte. Dort wurde 1927 die Abtei Yanji (Yenki) gegründet. Die Missionsbenediktiner velegten ihren Stammsitz von Seoul nach Tokwon in der Nähe der Hafenstadt Wonsan im heutigen Nordkorea.

Nach dem Ende des 2.Weltkriegs und der darauf folgenden Teilung Koreas verloren im kommunistischen Nordteil der koreanischen Halbinsel ab 1949 insgesamt 38 Brüder und Patres aus St. Ottilien, Tutzinger Missionsbenediktinerinnen und einheimische Priester bei Hinrichtungen, während der Einzelhaft oder in Arbeitslagern ihr Leben.

Die Überlebenden wurden 1954 aus den Lagern entlassen und konnten nach Deutschland zurückkehren. Die einheimischen Mitglieder der Konvente, die nach Südkorea hatten fliehen können, gründeten dort 1953 das Kloster Waegwan - heute das größte Kloster der Missionsbenediktiner in Asien.

Geschichte der Sammlung

Erzabt Norbert Weber unternahm 1911 und 1924/25 zwei längere Reisen, um sich ein Bild über die Entwicklung der Koreamission zu machen. Von diesen Reisen brachte er rund 350 Objekte nach St. Ottilien zurück, die ihm als Sammler zuzuordnen sind. Abtbischof Bonifaz Sauer, P. Andreas Eckardt und P. Dominikus Enshoff sind als weitere bedeutende Sammler zu nennen.

Die japanische Kolonialregierung versuchte, die koreanische Kultur mit japanischen Traditionen zu überdecken. Aus diesem Grund konnte Erzabt Norbert Weber Kunst- und Alltagsgegenstände günstig bei Trödlern und Altwarenhändlern erwerben. Eine seiner Intentionen war es, die Objekte zu erhalten und einen Teil der verschwindenden alten koreanischen Kultur zu bewahren.

Nutzen und Gebrauch der Objekte lernte Erzabt Norbert Weber in den Häusern der koreanischen Christen kennen, bei denen er sich auf seinen Reisen durchs Land aufhielt. Er fasste seine Erlebnisse in mehreren Büchern zusammen, darunter "Im Lande der Morgenstille" und "In den Diamantbergen Koreas". Er filmte Alltagsszenen auf Stummfilm, die im Missionsmuseum gezeigt werden. Hunderte von Fotos entstanden

Zwei Wächterfiguren, die traditionell am Eingang eines Dorfes oder Tempelgeländes zu finden sind, flankieren den Eingang zur Koreasammlung. Sie stammen nicht aus der Missionsepoche, sondern wurden auf Bestellung angefertigt. Das Modell eines koreanischen Hauses für Männer baute Br. Rasso Petz nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft in Korea.

Lebenswelten im alten Korea

In der Vitrine "Alltag" werden u.a. ein Weintischchen und ein Esstisch mit den typischen Essschalen und Besteck sowie ein stapelbares Reisegeschirr gezeigt. Die gegenüberliegende Vitrine widmet sich dem Thema Mission und präsentiert Zeugnisse christlichen Glaubens und der Christenverfolgung in Korea.

Eine Vitrine widmet sich den Frauen, deren Wirkungskreis im alten Korea auf das häusliche Umfeld beschränkt war. Rund um das wichtige Ereignis der Hochzeit sind Brautbrief und Hochzeitstruhe, die Hochzeitsgänse, das regenbogenfarbige Hochzeitskleid und die Brautkrone zu sehen. Utensilien traditioneller Frauenarbeit wie Wäscheklöppel und Bügeleisen und Exemplare der farbenfrohen Kleidung für Mädchen und Jungen ergänzen den Themenbereich.

Das Gegenstück bildet eine Vitrine, die die Lebenswelt der Männer porträtiert. Das Hausgewand eines Gelehrten mit dem dazugehörigen Hut wird mit einem Schreibtischchen mit Pinsel, Tusche und Lesezeichen gezeigt. Weitere traditionelle Kopfbedeckungen für Männer, Kleiderschoner, Holzschuhe und Utensilien zur gesellschaftsprägenden Kultur des Rauchens zeigen Einblicke in das Leben der stark ständisch organisierten koreanischen Gesellschaft. Ein Trauergewand für Männer demonstriert die komplexen Rituale, die vom ältesten Sohn nach dem Tod seiner Eltern zu befolgen waren und ihn für die Zeit der Trauer vom normalen gesellschaftlichen Leben ausschlossen.

Kultur und Religion

Ton- und Porzellangefäße zeigen exemplarisch die Entwicklung der Porzellankunst durch drei prägende Epochen der koreanischen Geschichte vom 5. Jh. bis zum Anfang des 20. Jh. Metallarbeiten wie Bronzespiegel oder Arbeiten in Silbertauschierung stellen die hohe handwerkliche Kunst des alten Korea vor.

Eine Vitrine zeigt Zeugnisse der drei prägenden Glaubenssysteme Koreas - des koreanischen Schamanismus und des Buddhismus sowie die Gesellschaftsethik des Konfuzianismus. Erzabt Norbert Weber war besonders interessiert am Buddhismus; während seiner Reisen besuchte er immer wieder Tempel und Klöster und suchte den Dialog mit buddhistischen Mönchen und Nonnen.

Eine weitere Vitrine zeigt koreanische Blas-, Saiten- und Perkussionsinstrumente, darunter eine Sanduhrtrommel, das seit dem 4. Jh. existierende Saiteninstrument geomungo (wörtl.: schwarze Zither), Cinellen, Flöten und eine Oboe.

Landwirtschaftliche Utensilien wie Strohschuhe und Hut, ein Besen und das Modell eines Pflugs sowie Werkzeuge wie Hammer und Sichel spiegeln das dörfliche, agrarisch geprägte Leben um die Wende zum 20. Jh. Die Schere des Süßigkeitenverkäufers diente als "Glocke", um seine Ankunft den Kindern im Dorf anzukündigen.

Auch Militärkleidung wie der "Rote Harnisch" vom Beginn des 20. Jh. mit zugehörigem Helm, der Hut eines Militärbeamten und ein Mantel aus Seide mit eingewobenem Drachenmotiv sowie Waffen wie Bögen und Pfeile sind Teil der Dauerausstellung.

Um unterrichten zu können, mussten die Missionare ihre eigenen Schulbücher verfassen. Dies bedeutete nicht nur die Kenntnis der koreanischen Sprache, die auch im Alltag unabdingbar war, sondern auch die Kenntnis des Chinesischen als Sprache der Wissenschaft. P. Andreas (André) Eckardt (1884-1974), von dem das ausgestellte Lehrbuch stammt, gilt als Begründer der Koreanistik in Deutschland.

Er widmete sich nicht nur Sprachstudien, sondern befasste sich mit vielen Bereichen der koreanischen Geschichte und Kultur. Ein Blatt eines von ihm 1913 angelegten Herbariums, das als Schenkung an Korea zurückging, wird in der Dauerausstellung gezeigt.

Den Abschluss der Sammlung bildet die "Vollständige Karte der Welt" von 1860, ein koreanischer Nachdruck des vom Jesuiten Ferdinand Verbiest SJ 1674 am chinesischen Kaiserhof erstellten Originals. Die Karte enthält zahlreiche Beschreibungen von Naturphänomenen, Ländern und Charakteristika ihrer Bewohner in chinesischer Sprache sowie Abbildungen von Tieren, die im 17. Jh. in China unbekannt waren.