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Stellungnahme zum Vortrag von Franziska Moosmann am 21.05.25
Vortrag von Franziska Moosmann an der Katholischen Akademie Berlin am 21.05.2025:
“Zwischen Tierdioramen und Märtyrerrelikten. Das Missionsmuseum als Arbeitsfeld für postkoloniale Theologien”
Der Vortrag gibt einen Einblick in die Magisterarbeit der Referentin (Wintersemester 2024/2025 Universität Tübingen) mit dem Titel:
"Von Schamschurzen, Tierdioramen und Märtyrerrelikten. Verdinglichte (Post-)Kolonialismuspraxis und Gefährliche Erinnerung im Missionsmuseum als Arbeitsfeld für postkoloniale Theologien".
Die Autorin sieht im Missionsmuseum Sankt Ottilien eine kolonialistische Grundtendenz in Form einer Dichotomie von christlich-überlegen-fortschrittlich-vernünftig versus abergläubisch-unterentwickelt-rückständig-magisch. Die historische Missionsarbeit der Missionsbenediktiner wird als "Kolonialmission" gesehen, geprägt von Überlegenheit, ja teilweise auch Gewalt.
Die Autorin fordert, Missionsmuseen ähnlich zu behandeln wie ethnologische Museen. Sie verkennt dabei den Eigencharakter missionarischer Sammlungen. Die referenzierte Missionsausstellung im Vatikan 1925, die das Ziel hatte, einen Überblick über die Geschichte der verschiedenen missionarischen Bemühungen der katholischen Kirche in allen Erdteilen zu liefern, ist kein "Missionsmuseum". Der Beginn der missionarischen Sammlung in St. Ottilien liegt im Übrigen gut 35 Jahre früher.
Missionarische Sammlungen wurden primär nicht zum Zweck des wissenschaftlichen Sammelns, Erforschens und Vergleichens angelegt, sondern entstanden überwiegend aus dem missionarischen Auftrag des Ordens. Sie wurden zunächst intern als Übungsfeld für zukünftige Missionare genutzt, erst später bekamen sie auch die Funktion eines Werbeträgers.
Das Missionsmuseum St. Ottilien ist durch seine gesamte Geschichte hindurch, außer in den Jahren 1920-23 unter der Leitung von Pater Meinulf Küsters, von Mönchen gestaltet und geführt worden, die weder ethnologisch noch für ein Sammlungsmanagement ausgebildet waren. Auch die Binnenstruktur der Ausstellung des Missionsmuseums St. Ottilien folgt nur teilweise ethnologischen Ordnungskriterien.
Die Autorin fokussiert sich auf Objekte mit direktem Bezug zur Missionsgeschichte. Die ethnografischen Artefakte in St. Ottilien stammen jedoch zu 90 % aus der Alltagskultur, sind also mehrheitlich Objekte der Materialkultur ohne Bezüge auf die indigenen Religionen oder auf die christliche Missionsarbeit bzw. gar deren Erfolge. Sie wurden aus Kulturinteresse gesammelt und nach Sankt Ottilien geschickt, um das hiesige Interesse zu bedienen, zunächst für die Vorbereitung neuer Missionare, dann auch für die Bildung der Öffentlichkeit. Hier generell eine kolonialistische Tendenz hineinzulesen, ist nicht sinnvoll.
Die Provenienzforschung im Missionsmuseum ist seit 2018, also noch vor dem Report von Savoy/Sarr, abgeschlossen, es wurden alle verfügbaren Quellen ausgewertet. Als eines der Ergebnisse darf man festhalten: Es gibt keine Hinweise auf Gewaltkontexte des Objekterwerbs.
In Verkennung der Eigenart missionarischer Sammlungen trifft die Autorin die Option, mit dem Ansatz von A. JANNELLI das Missionsmuseum als eine durchkonzipierte "Aufführung" zu verstehen. Dies ist eine für die ganze Arbeit verhängnisvolle Fehlentscheidung, sind doch missionarische Sammlungen historisch gewachsen und haben keinesfalls so etwas wie ein "Drehbuch".
Hinzu kommt, dass sich der Besucherweg im Missionsmuseum mehrfach geändert hat und sich die Platzierung der Objekte an die begrenzten Raumverhältnisse immer wieder neu anpassen musste. Das Missionsmuseum besitzt also keine "Eröffnungssequenz", genauso wenig wie ein durchgehendes Story-Konzept.
Es handelt sich um eine in Schüben angewachsene und immer wieder neu sortierte Sammlung. Die Idee vom "Establishing Shot" im ersten Raum des Museums ist hier also zunächst einmal inadäquat. Darüber hinaus liefert sie ein subjektives Vorurteil, mit dem sich die Autorin das weitere Museum erschließt.
Leider verfügt die Referentin kaum über Informationen zu den konkreten Hintergründen des Missionsmuseums damals und heute.
Es gab im Vorfeld und während der Entstehung der Magisterarbeit keinen Diskurs mit der Museumsleitung sowie den Verantwortlichen der Sanierung und Neukonzeption in den Jahren 2011-15.
Die historische Missionsarbeit in ehemaligen Kolonien und die koloniale Politik selbst vor Ort haben eine Verflechtung, die sowohl Merkmale der Nähe als auch der Distanz aufweist. Beides zu vermischen und daraus eine "Kolonialmission" zu machen, ist irreführend.
Missionare wollten Evangelisation. Kolonialbeamte wollten Erschließung, Nutzung und Ausbeutung. Missionare wollten die einheimische Bevölkerung gewinnen. Oft genug wurden sie von Kolonialbehörden dafür angegriffen. Natürlich waren die Missionare als "Kinder ihrer Zeit" in die kolonialen Strukturen eingebunden, die sich oft genug bewusst der Mission bedienten.
Schade, dass weder im Vortrag noch in der zugrundeliegenden Magisterarbeit der Versuch unternommen wird, die Einstellung der Missionare vor 100 und mehr Jahren aus ihrer Zeit und dem damaligen Christentum heraus zu verstehen. Christen, denen eigentlich Hochachtung gebührt, wenn man ihre persönlichen Motivationen zwar vielleicht nicht teilt, aber versteht, werden so zu unmoralischen Erfüllungsgehilfen gewalttätiger Kolonialbeamter.
Die im Missionsmuseum 2014/15 neu hinzugekommene "Installation" zum Begriff der "Mission" mag an manchen Stellen inzwischen revisionsbedürftig wirken – dennoch entspricht sie dem Missionsverständnis der Katholischen Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Das Missionsmuseum ist nun einmal die missionarische Sammlung einer Gemeinschaft, welche sich dieser Idee verpflichtet hat.
Eine "Dekolonisierung" des Missionsmuseums war während der letzten Renovation, 2011 bis 2015, noch nicht im Blick. Doch in einer gewissen Voraussicht wurde damals schon ein kleiner Bereich dem Thema "Kolonialismus und Mission" gewidmet.
Die Interventionen, die übrigens, anders als es die Referentin im Vortrag erwähnt, schon längst verwirklicht waren (seit Oktober 2024), sind eine erste Erweiterung und Vertiefung des Themas. Eine auch räumliche Ausdehnung dieses Themenschwerpunkts wird im Juli 2025 realisiert.
Das Missionsmuseum bewahrt die Objekte aus z.T. längst verschwundenen Kulturen in treuhänderischer Funktion.
Bereits im Jahr 2007 fand ein Erstcheck in der Koreasammlung statt, die Provenienzforschung für alle Sammlungsteile war 2018 abgeschlossen.
Seit 2019 existiert ein Restitutionskonzept, das die Bereitschaft zur Rückgabe von Objekten unterstreicht.
Seit 2005 wurden aus eigener Initiative fünf Objekte als Schenkung zurückgegeben.
Bis jetzt wurden keine Forderungen nach Restitution gestellt, obwohl das Museum seit 2015 einen Internetauftritt hat und auch international bekannt ist.
Das Museum bietet seit mehreren Jahren Führungen zum Thema "Mission und Kolonialismus" an.
Der Webauftritt beinhaltet neben einem Dialog mit Fragen und Antworten zur Dekolonisierung auch die Interventionen in vertiefter Form.
Den Volltext der Stellungnahme mit konkreten Ausführungen zu einzelnen Textpassagen der Magisterarbeit finden Sie hier.
