WEIL ES ETWAS GRÖßERES GIBT
Das Wort Mission hat heute einen ambivalenten Klang: der Begriff klingt für manche nach Bevormundung, dem Gegensatz von Begegnung auf Augenhöhe. Dabei gibt es den "weißen Missionar", der mit dem Evangelium in den Globalen Süden zum Belehren reist, kaum mehr. In der Kongregation der Ottilianer Missionsbenediktiner hat sich längst das Modell gegenseitigen Unterstützens durchgesetzt: Mönche aus Tansania helfen beispielsweise in Klöstern in Deutschland, koreanische Mitbrüder in Nordamerika. Das Prinzip von Wechselseitigkeit und Dialog hat sich etabliert.
Das Missionsmuseum zeigt zahlreiche Portraits von Missionaren aus St. Ottilien. Weil die Sammlung auch die ältere Missionsgeschichte wiederspiegelt, die im Jahre 1887 begann, findet sich in manchen Biografien der "alte Schlag" des Missionars.
Pater Florian (Franz Joseph) Prinz von Bayern war einer der Ottilianer Missionare der jüngeren Zeit. Am 22. Juni 2023 jährte sich zum ersten Mal sein allzu früher Tod mit nur 64 Jahren. P. Florian war einer der letzten Missionsbenediktiner, die in einer Region tätig waren, in der das Christentum noch neu war. Sein Einsatz galt einer Ethnie mit nomadischer Lebensform, in der bis vor wenigen Jahren Schulbildung kaum Fuß fassen konnte - den Dasanach am Turkanasee.
Er suchte nach Möglichkeiten für eine mobile Grundschule, was ihn zur Gründung eines Nomadic Education System führte. So besteht sein Lebenswerk nicht nur in der Evangelisierung, sondern in einer ganzheitlichen Hilfe zur Selbsthilfe im Bildungswesen: Heute sind es einheimische Lehrerinnen und Lehrer, die die Dasanach-Kinder jeweils vor Ort unterrichten.
Mit den Objekten, die Bezug nehmen auf Stationen seines Lebens, zeigte die Sonderausstellung das Andenken an das Lebenswerk von P. Florian, aus dessen Lebenstraum, "als echter Missionar weitab großer Städte zu arbeiten", vielfältige Projekte im Norden Kenias entstanden.
Lebensdaten
1957
Franz Joseph wird am 21. September auf Schloss Leutstetten bei Starnberg geboren. Er verbringt Kindheit und Jugend im elterlichen Gut Rieden. Die Liebe zur Natur und das Interesse an Technik verbindet sich mit seiner Begeisterung für die Mission. Sein großes Berufsziel kann er sich über Umwege erarbeiten:
- Berufsschulabschluss als Erzieher und Kindergärtner
- Besuch der Fachoberschule Weilheim
- Theologiestudium in Heiligenkreuz bei Wien
1982
Franz Joseph tritt in die Erzabtei St. Ottilien ein und bekommt als Novize den Namen Bruder Florian.
1984
Br. Florian wird nach Ablegung der ersten Gelübde von Erzabt Notker Wolf als Missionar ausgesandt - nach Kenia.
1986
Br. Florian empfängt am 21. Dezember in St. Ottilien die Priesterweihe.
1987
P. Florian kehrt nach Kenia zurück und übernimmt im Laufe der Jahre verschiedene Aufgaben und Missionseinsätze, u.a. als Jugendseelsorger in den Slums von Nairobi und als Pfarrer im Kerio-Tal.
2003
P. Florian gründet die Missionsstation St. Peter the Fisherman in Illeret im Norden Kenias am Turkana-See und wirkt dort 16 Jahre lang.
2005
Parallel zu dieser Aufgabe leitet P. Florian vier Jahre lang als Prior das Kloster Tigoni.
2020
P. Florian erkrankt schwer. Am 22. Juni 2022 stirbt er in Nairobi.
P. Florian in Wort und Bild
Autobiografie "Weil es etwas Größeres gibt: Mein Leben in Afrika" von Florian von Bayern und Christian Weisenborn, Herder-Verlag 2010
Titelfoto der Missionsblätter St. Ottilien 4-2014: P. Florian mit Jugendlichen von Illeret
Großformatige Bildtafel: P. Florian bei der Messe
Hinweisen möchten wir ebenfalls auf eine Reportage des Bayerischen Rundfunks zum 1. Todestag von P. Florian vom 16.06.2023: Prinz, Missionar und Pädagoge Zur Erinnerung an Pater Florian von Bayern.
Objekte aus der Kultur der Dasanach
Die von P. Florian erworbenen und dem Missionsmuseum übergebenen Stücke sind die einzigen aus dieser Region, die das Missionsmuseum aufbewahrt.
"Die Dasanach leben in der nur schwer zugänglichen Trockenzone im Norden Kenias und Süden Äthiopiens. Die traditionelle Lebensweise der mobilen Viehzucht ist laut Experten sehr nachhaltig, da das sensible Ökosystem durch den Wechsel der Weideplätze unterstützt wird und Wanderhirten in Zeiten von Dürre und ausbleibenden Regen flexibler mit ihren Weiderouten reagieren können als beispielsweise sesshafte Ackerbauern. Die Ziegen, Schafe, Rinder, Esel und Dromedare liefern den unterschiedlich großen Familienverbänden der Dasanach Milch, Fleisch und Fell und eignen sich als Zug- und Lastentiere auf der permanenten Suche nach geeigneten Weidegründen und Wasserstellen. Ackerbau kommt für die Dasanach im Norden Kenias aufgrund der Bodenbeschaffenheit, der Hitze, ausbleibendem Regen, dem alkalihaltigen Turkana See und zu tiefliegendem Grundwasser bisher nicht in Frage." (Quelle: Illeret.org)
Kamelglocke
Den Tieren werden große Holzglocken umgebunden.
Sitzbank und Kopfstütze
Unterwegs sitzen die Dasanach-Hirten auf einem kleinen Bänkchen oder liegen mit dem Kopf auf einer Stütze, um weniger Kontakt mit der Erde bzw. der Vegetation und Kleintieren zu haben.
Rock
Die traditionelle Kleidung der Dasanach besteht in einem ledernen Rock bzw. einem Tuch um die Hüften.
INES Unterrichtsmaterialien
P. Florian, dem die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen immer besonders am Herzen lag, gründete für die Kinder der Dasanach ein mobiles Schulsystem, das Illeret Nomadic Education System (INES). Schule ist hier nicht ein fester Ort von Unterricht, sondern Teams von Pädagog/innen folgen den nomadischen Großfamilien. In dieser "Unterwegs-Grundschule" durchlaufen die Schüler/innen individuell ein flexibles Curriculum von Lerneinheiten, sogenannten Lernleitern.
Das System der Lernleitern
Neben den Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen enthält das System auch Lernmodule des kenianischen Lehrplans wie beispielsweise Hygiene, Ernährung und Friedenssicherung.
"Ausgangspunkt ist die Idee des aktivitätsbasierten Lernens. Die Lernenden – nicht die Lehrkraft – organisieren ihren Lernprozess mit Hilfe sogenannter Lernleitern. Sie lernen materialbasiert, individuell in heterogenen Lerngruppen." (Quelle: Illeret.org)
Erwerbungen der Ottilianer Kenia-Missionare aus dem Gebiet der Turkana und Marakwet
Die Ethnien der Marakwet und Turkana leben am Turkanasee in der Umgebung des Klosters Illeret. Sie leben hauptsächlich als traditionelle Viehhalter.
Schurz
Schamschurz einer unverheirateten Frau der Turkana.
Perlen, Leder.
Halsschmuck
Marakwet.
Damit beim Tragen die runde Form erhalten bleibt, sind die Perlen auf Draht aufgefädelt.
Perlen, Draht
Armschmuck
Turkana.
Die Perlen sind auf dickes Leder aufgebracht.
Perlen; Draht, Leder.
Milchbehälter
Turkana.
Kamelleder, Stöpsel aus Holz
Tabakbehältnisse
"Die Marakwet schätzen Tabak sowohl als Schnupf- als auch als Kautabak, der mit Salz aus dem Turkana-See vermischt wird. Sie bauen beide Sorten selbst an. Die Behältnisse werden von Männern angefertigt und von ihnen benutzt." (H. Kiefer, Missionsmuseum St. Ottilien, 2014)
Marakwet.
Horn, Leder, Metallschmuck