RÜCKGABEN DES MUSEUMS
Seit einigen Jahren werden von Herkunftsgesellschaften vermehrt Forderungen nach einer Restitution, d.h. nach Rückgabe von Kulturgütern, insbesondere aus der Kolonialzeit, an europäische Museen gestellt.
Auch wir als missionarische Sammlung nehmen diese Anfragen sehr ernst. Unser gesamter Objektbestand wurde bereits wissenschaftlich erforscht, alle Quellen sind ausgewertet. Leider gibt es nur wenige Aufzeichnungen zur Provenienz (d.h. zu den Umständen des Erwerbs) in unseren Unterlagen.
Bisher wurden noch keine Forderungen nach einer Restitution an unser Museum gestellt. Wie in unserem Leitbild dargestellt, stehen wir jedoch Anfragen von Herkunftsgesellschaften offen gegenüber.
Rückgaben nach Korea
Im Rahmen langjähriger Zusammenarbeit mit staatlichen Museen und Regierungsorganisationen in Südkorea hat unser Museum jedoch seit 2005 aus eigener Initiative die Rückgabe einiger Objekte als Schenkung bzw. Dauerleihgabe veranlasst. Wie in unserem Restitutionskonzept festgelegt, erfolgte die Übergabe an die Republik Korea (Südkorea), vertreten durch Regierungsorganisationen oder staatliche Museen.
Unter unseren Kooperationspartnern ist besonders die Overseas Korean Cultural Heritage Foundation (OKCHF) hervorzuheben. Ziele dieser Stiftung sind Forschung, Erhalt und Präsentation von koreanischem Kulturgut in Museen außerhalb Südkoreas. Weitere Kooperationspartner sind u.a. das National Palace Museum of Korea, das National Museum of Korea, und das National Folk Museum of Korea.
Das Missionsmuseum erwägt eine Rückgabe bei Objekten, die bedeutendes nationales Kulturgut darstellen oder für die Herkunftskultur große Bedeutung haben (wie im Fall der Seidenbilder).
Zum anderen ist für eine Rückgabe das Forschungsinteresse entscheidend (als Beispiel kann hier das Herbarium gelten).
Nicht zuletzt ist auch der Seltenheitswert eines Objekts von Bedeutung für eine Entscheidung zur Rückgabe. Von der Art des Militärmantels Blauer Harnisch existieren in Südkorea nur noch wenige Exemplare.
21 Seidenbilder von Jeong Seon (Dauerleihgabe 2005)
2005 übergab die Erzabtei St. Ottilien ein Album mit 21 in Tusche und Farbe auf Seide gemalten Bildern des koreanischen Meisters Jeong Seon (1676-1759) als Dauerleihgabe an die Abtei Waegwan. Die Bilder werden im National Museum of Korea aufbewahrt.
Es wird angenommen, dass Erzabt Norbert Weber das Album auf seiner zweiten Missionsreise 1924/25 erwarb. Eines dieser Bilder ist in Webers Reisetagebuch "In den Diamantbergen Koreas" erwähnt und abgebildet. Ob das Album bereits gebunden war oder erst von Norbert Weber zusammengestellt wurde, ist unklar.
Allerdings legen die unterschiedlichen Motive nahe, dass die Bilder ursprünglich nicht aus einer Quelle stammen, da Alben traditionsgemäß nur ein Thema behandeln. Unter den 21 Seidenbildern sind fünf reale Landschaftsbilder, drei idealisierte Landschaften, eine Tierabbildung und 12 Abbildungen historischer Figuren mit Szenen aus deren Leben.
Die Sammlung war lange im Missionsmuseum St. Ottilien ausgestellt. Graduate-Student Yoo Jun-yeong, späterer Professor an der Ewha Womans University, entdeckte das Album 1975 während seiner Dissertation in Deutschland. Er wurde auf Erzabt Norbert Webers Reisetagebuch und auf die darin abgedruckten Bildtafeln aufmerksam.
1977 wurden die empfindlichen Seidenbilder auf Veranlassung des damaligen Erzabts von St. Ottilien fachmännisch restauriert. Ein 1999 in der Zeitschrift "Oriental Art" herausgegebener Artikel von Kay E. Black und Eckart Dege machte das Album international bekannt.
Nach Beratungen in der Klostergemeinschaft wurde das Album als Dauerleihgabe an die Abtei Waegwan übergeben, da es sich um einen nationalen Kunstschatz Koreas von großem Wert handelt.
Das Album wurde bereits mehrfach vom National Museum of Korea der Öffentlichkeit in Sonderausstellungen präsentiert. Das bekannteste der Seidenbilder mit einem Überblick über die Diamantberge war 2018 Teil einer Ausstellung im Metropolitan Museum of New York.
Herbarium (Rückgabe 2015)
Das Herbarium der koreanischen Pflanzen umfasst 420 einzelne Blätter mit Pflanzen aus den Gebieten des heutigen Nord- und Südkorea.
P. Andreas (André) Eckardt OSB (1884-1974) stellte das Herbarium 1913 während seiner Tätigkeit in der Koreamission zusammen und brachte es später nach St. Ottilien.
Jede Pflanze ist fachmännisch auf Papier aufgezogen und nennt wissenschaftlichen Namen, Datum und Sammelgebiet. Auf dem Gebiet des heutigen Nordkorea sammelte Eckardt Pflanzen in Suwon, Gyeonggi, Wonsan, Pyeonggan sowie in den Diamantbergen, u.a. die Diamant-Glockenblume Hanabusaya asiatica (in Korea geumgang chorong genannt), eine endemische Glockenblumenart.
Ein Sammelbeispiel aus dem heutigen Südkorea ist Pteris excelsa, eine Farnart aus der Familie der Saumfarngewächse, die Eckardt auf der Insel Jeju sammelte; diese Pflanze ist als endemische Art bekannt, konnte jedoch noch nicht nachgewiesen werden.
Das Herbarium wurde 2005 von St. Ottilien in die Abtei Waegwan transferiert. 2015 wurde es vom Museum an das nahe Seoul gelegene Korea National Arboretum als Schenkung übergeben. Diese Regierungsorganisation widmet sich der wissenschaftlichen Erforschung und Konservierung des koreanischen Pflanzenbestandes.
Dies war das erste Mal, dass Korea eine botanische Sammlung mit einheimischem Pflanzenmaterial aus ausländischen Quellen erhielt.
Ein Blatt des Herbariums wurde für die Dauerausstellung im Missionsmuseum konserviert - das Blatt Nr. 1001 zeigt Blätter und Beeren des Japanischen Sperrstrauchs (Eurya japonica). Die lateinische Beschriftung des Blatts zeigt an, dass die Pflanze am 25. Juli 1913 von P. Andreas Eckardt gesammelt wurde.
Genealogie (Rückgabe 2016)
Auf den Hintergrundwänden der im Untergeschoss des Museums gezeigten koreanischen "Vollständigen Karte der Welt" (Gonyeo jeondo) von 1860 war der Stammbaum einer Familie aus der südkoreanischen Provinz Iksan aufgezeichnet.
Bei der Sanierung der Weltkarte wurden die Paneele aus einem Wandschirm herausgelöst und die Rückseiten konnten separiert werden.
Der Erwerber der Weltkarte ist vermutlich Erzabt Norbert Weber, jedoch findet sich in den Archiven des Museums kein Hinweis auf die Provenienz.
Die mit Tusche in chinesischer Schrift geschriebene Genealogie wurde zusammen mit den Rahmen als Schenkung an die südkoreanische Regierungsorganisation Cultural Heritage Administration übergeben. Die Erforschung des Familienstammbaums ist noch nicht abgeschlossen.
Lehrbuch zur Bienenzucht (Dauerleihgabe 2018)
P. Canisius Kügelgen OSB (1884-1964) war von 1911 bis 1950 als Missionar in Korea tätig. Er war selbst Imker und schrieb das Lehrbuch "Abriss über die Bienenzucht" (yangbong yoji) in der Abtei St. Benedikt in Seoul in koreanischer Sprache.
Kügelgens Buch wurde 1918 hektographiert, d.h. mit Hilfe einer Matrize (Vorlage) vervielfältigt, und an verschiedene, von St. Ottilien aus gegründete Klöster versandt, z.B. nach Münsterschwarzach. Aus der dortigen Bibliothek kam 2018 ein Exemplar des Buches in die Abtei Waegwan, die es der Republik Korea als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte. Das in der Sonderausstellung präsentierte Exemplar des Bienenlehrbuchs stammt aus der Bibliothek der Erzabtei St. Ottilien.
Die Geschichte der Bienenzucht in Korea reicht 2000 Jahre zurück bis ins frühe Gogurye-Königreich (37 v.Chr. - 668 n.Chr.). Noch heute wird die Östliche Honigbiene (Apis cerana) in den Bergregionen Koreas in sog. Klotzbeuten, ausgehöhlten Baumstämmen, gehalten.
P. Canisius Kügelgen war einer der ersten, die die moderne Imkerei und die Westliche Honigbiene (Apis mellifera) nach Korea brachten. Diese Bienenrasse wurde weltweit in vielen Ländern eingeführt, da sie weniger aggressiv und daher für den Imker einfacher im Umgang ist und größere Erträge an Honig liefert.
Militärmantel Blauer Harnisch (Rückgabe 2018)
2018 übergab das Missionsmuseum einen koreanischen Militärmantel, den sog. Blauen Harnisch, als Schenkung an die Regierungsorganisation Overseas Korean Cultural Heritage Foundation.
Der Harnisch, der von einfachen Infanteristen getragen wurde, ist aus fast marineblau gefärbtem dicken Baumwollstoff gearbeitet, und mit einem Muster aus Lotosblüten verziert. Im Brust- Schulter- und Rückenbereich sind auf der Innenseite quadratische Lederstücke fest vernäht. Diese Lederstücke hielten Pfeile nicht vollständig ab, verhinderten aber ein tiefes Eindringen. Das Innenfutter ist mit einem Blumenmuster bedruckt. Ungewöhnlich ist, dass dort auch der Name des Besitzers zu finden ist.
Das Alter des Waffenrocks wird datiert auf die Zeit zwischen dem Ende des 18. und dem Beginn des 19. Jh., er wurde von Erzabt Norbert Weber OSB (1870-1956) auf einer seiner beiden Missionsreisen nach Korea erworben.
Der Harnisch ist bereits in angegriffenem Zustand, einige Lederschuppen sind lose, die Seide des Futters ist verschlissen, und die Eisennieten hinterließen Rostspuren auf dem Stoff. Er ist jedoch als Forschungsobjekt sehr wertvoll, denn von diesem Typ des Militärmantels existieren nur noch wenige Exemplare in Korea.
Eine Nachbildung des Blauen Harnisch, die in der Sonderausstellung zu sehen war, wurde von der Overseas Korean Cultural Heritage Foundation finanziert.
Hochzeitsgewand (Rückgabe 2020)
Der sog. dallyeong (wörtl.: "Robe mit rundem Kragen"), ein zeremonielles Gewand aus Seide mit einem eingesetzten reich bestickten Spiegel über der Brust, ist chinesischen Ursprungs. Er war bis zum Jahr 1900 die tägliche Dienstbekleidung eines Beamten, zusammen mit Hut (samo), Gürtel (poomdae) und Stiefeln (hwa).
Die restliche Bevölkerung durfte den dallyeong nicht tragen, die einzige Ausnahme galt für Männer aller Stände während der Hochzeitszeremonie. Der dallyeong wurde für diesen Zweck gefertigt und weicht in einigen Punkten von der klassischen Form ab.
Der 2023 verstorbene Br. Bonaventura Schuster OSB aus der Abtei Münsterschwarzach, mit kurzer Unterbrechung seit 1959 in Waegwan tätig, erwarb um 1960 dieses Gewand aus Seide mit einem Futter aus Viskose (Kunstseide), typisch für die Zeit nach dem Koreakrieg und schenkte es 1984 dem Missionsmuseum.
Durch Tageslichtexposition war der Seidenstoff bereits stark angegriffen. Auf Betreiben der Overseas Korean Cultural Heritage Foundation (OKCHF) wurde das Hochzeitsgewand zusammen mit einem anderen dallyeong des Missionsmuseums im National Folk Museum of Korea restauriert.
Nach der Wiederherstellung wurde dieser dallyeong 2020 als Schenkung dem National Folk Museum of Korea in Seoul übergeben.