
DAS MISSIONSVERSTÄNDNIS IM WANDEL
Der Sendungsauftrag (lat. missio = Sendung) zur Weitergabe der christlichen Botschaft findet sich am deutlichsten im Matthäusevangelium: "Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern" bzw. in der Lutherbibel: "…lehret alle Völker" (Mt 28, 19).
Die Mission der Kirche setzte diese Aufgabe "bis an die Grenzen der Erde" (Apg 1,8) fort. Schon die Missionsreisen des Apostels Paulus gingen nach Rom und Griechenland; im frühen Mittelalter missionierten Mönche aus England in Germanien, im Spätmittelalter verbreiteten die Franziskaner den Glauben in China.
Die Motivation zur "Heidenmission" war jahrhundertelang von der Überzeugung getragen, dass Ungetaufte nach ihrem Tod keinen Zugang zum ewigen Leben hatten; durch die Taufe wurden diese "Seelen" gerettet.
Dieses Missionsideal war auch Motivation für die Anfänge der Missionsbenediktiner von St. Ottilien: Mitleid bzw. Heilssolidarität mit denen, die noch nicht von der göttlichen Gnade erreicht waren.
Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert
Nach dem durch Französische Revolution, Säkularisation und Aufklärung bedingten Bedeutungsverlust der katholischen Kirche im 18. Jh. begann zu Beginn des 19. Jh. ein erneuter Aufschwung mit der von Imperialismus und Eurozentrismus geprägten Missionsära der jüngsten Zeit.
Neben katholischen Laienbewegungen (Missionsvereinen) entstanden auch zahlreiche Missionsgesellschaften und -institute, v.a. in Frankreich (Missions Etrangères, Pères Blancs/Weiße Väter), aber auch in England (Mill Hill), Italien (Comboni-Missionare) und den Niederlanden (Steyler Missionare).
Die Gründung der Missionsbenediktiner im Jahr 1884 wurde begünstigt durch eine Lockerung der während des Kulturkampfes bestehenden Reichsgesetze in Deutschland. Mit dem Ziel der kolonialen Expansion vor Augen wollte das Kaiserreich Missionare beider Konfessionen in den Schutzgebieten einsetzen.
Die protestantische Mission setzte erst im 18. Jh. langsam ein, da sie die Mission durch die Apostel im Prinzip als erledigt ansah. Die Erweckungsbewegungen im Europa und Nordamerika des frühen 19. Jh. propagierten jedoch die Notwendigkeit einer Christianisierung der gesamten Welt, die auch hier stark von Missionsvereinen getragen wurde.
Pietisten, Methodisten, Baptisten und die Herrnhuter Brüdergemeine und in jüngerer Zeit auch evangelikale Gruppierungen verstanden hingegen den "Sendungsbefehl" Jesu immer schon als persönlichen Auftrag für die innere und äußere Mission. Die Dänisch-Hallesche Mission (ab 1706) gilt als erste evangelische "organisierte" Missionsgesellschaft.
Die Koordination der Mission erfolgte auf katholischer Seite durch die vatikanische Propaganda fide, auf evangelischer Seite durch die Welt-Missions-Konferenz bzw. deren Nachfolger, den Ökumenischen Rat der Kirchen. Bei der Missionierung in den Kolonien standen die Katholische Kirche und die evangelischen Missionsgesellschaften zueinander in Konkurrenz, was auch unter deutschen Missionaren im Missionsland Spannungen verursachte.
Neuausrichtung
Das Ende des Ersten Weltkriegs führte in der katholischen Mission zu einem Umdenken. Ein Schreiben von Papst Benedikt XV. kritisierte 1919 den Nationalismus und verurteilte die "unheilige Allianz" zwischen Mission und kolonialen Herrschaftsverhältnissen.
Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) revidierte die Kirche grundlegend ihr Verständnis von Mission mit dem Wandel hin zur "Evangelisierung", das u.a. in mehreren Erklärungen der Päpste festgeschrieben wurde. Seitdem haben sich die Leitideen der Inkulturation, des interreligiösen Dialogs und der Anerkennung des Anderen durchgesetzt.
Die Rolle der Missionsbenediktiner hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Bereits 1965, noch während der Apartheid, traten die ersten Afrikaner ins Kloster Inkamana (Südafrika) ein. Der Übergang der "deutschen" Missionsklöster zu einheimischen Konventen wurde unter Abt Notker Wolf ab 1977 stark gefördert. Heute ist in der weltweit 55 Klöster umfassenden Kongregation längst kein europäischer Oberer mehr in der Leitung eines außereuropäischen Klosters oder Priorats zu finden.
In den ehemaligen Missionsgebieten sind junge Ortskirchen entstanden, die längst den "klassischen" Seelsorgeauftrag übernommen haben. Benediktinische Mission heute versteht ihre Aufgabe als ein Anbieten des Glaubens ("proposer la foi", Missionspapier der französischen Bischöfe) und konzentriert sich neben der Mitarbeit in den Gemeinden stark auf soziale, karitative und ökologische Projekte, (Aus-)Bildung und den Einsatz für Gerechtigkeit.