
PROVENIENZFORSCUNG
In der Bewertung von außereuropäischen Kulturgütern setzte in den letzten Jahrzehnten ein Wandel ein. Objekte wurden nicht länger als "Trophäen" präsentiert, oder als "Kuriositäten" gezeigt, die die kulturelle Überlegenheit Europas demonstrieren sollten. Die angebliche zivilisatorische Überlegenheit des Globalen Nordens wich einer wachsenden Anerkennung der Gleichwertigkeit der Kulturen, nicht zuletzt aufgrund der Wertschätzung außereuropäischer Objekte durch europäische Künstler.
Damit entstand ein internationaler Marktplatz, auf dem durch Museen, Galerien, Auktionshäuser und Sammler Objekte für hohe Summen angekauft wurden. Dies führte immer wieder nicht nur zu legalen Käufen, sondern auch zu Fälschungen, Kunstraub und illegalem Handel, dem auch renommierte Museen zum Opfer fallen, wie z. B. die im (virtuellen) Museum of Looted Antiquities vorgestellten Fälle zeigen.
Die Provenienzforschung, zunächst bezogen auf in der NS-Zeit entzogenes Kulturgut, wurde auf Kulturgüter aus kolonialem Kontext ausgeweitet. Diese noch recht junge Disziplin widmet sich der wissenschaftlichen Erforschung der Herkunft von Kulturgütern – nicht nur deren geografische Verortung, sondern auch der sog. Erwerbskontext steht hierbei im Fokus: die früheren Besitzverhältnisse und die Umstände des Erwerbs (Kauf, Tausch, Schenkung, gewaltsame Aneignung).
Wirkungen
Mit dem Wandel, der in den letzten Jahren durch die Betonung der Provenienzforschung eingetreten ist, hat sich einiges verändert. Der Markt für Fälschungen und Nachbildungen ist z.B. in Afrika selbst bei Touristenware stark eingebrochen. Museen und Händler sind bestrebt, nur noch Objekte mit möglichst lückenloser, gut dokumentierter Provenienz zu erwerben.
Zentraler Ansprechpartner zu allen Fragen der Provenienzforschung ist das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste (DZK), eine Stiftung von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden. Unser Museum ist Teil einer Arbeitsgruppe des DZK zu missionarischen Sammlungen. Das DZK unterhält auch die internationale Forschungsdatenbank Proveana, die Provenienzforschung durch die Dokumentation historischer Informationen unterstützt.
Provenienzforschung im Missionsmuseum
Die Provenienzforschung hat große Bedeutung in der aktuellen Diskussion um Rückgabeforderungen von Nationen und Ethnien zu Kulturgut aus kolonialen Kontexten. Bereits 2007 begann das Missionsmuseum mithilfe von Experten die Provenienzen für die Schwerpunkte der Sammlung (Ost- / Südafrika, Korea) zu untersuchen.
In der wissenschaftlichen Erforschung waren im Museum Expertinnen des Museums 5 Kontinente München (Ostafrika / Südafrika) und der Overseas Korean Cultural Heritage Foundation (Korea) tätig.
Im Rahmen der Provenienzforschung wurden im Missionsmuseum Quellen aus verschiedenen Bereichen ausgewertet. Zum einen sind dies Karteikartensysteme, Objektschilder, alte Museumsführer, Rückseitenbeschriftungen und Eingangsbücher. Zum anderen Archivalien wie Briefwechsel, Rechnungen und andere Schriftstücke. Auch Literatur wie Tagebücher der Missionare, Fotos und Filmmaterial wurden herangezogen. Alle verfügbaren Quellen wurden ausgewertet, die Erforschung war 2018 abgeschlossen.
Die Provenienz unserer Objekte ist, bedingt durch die lückenhafte Dokumentation, meist schwer nachvollziehbar.
Neben der lokalen Herkunftsgesellschaft bzw. Erwerbsregion wird nur in ca. 50% der Fälle auch der Erwerber genannt. Der Zeitpunkt des Erwerbs ist oft nicht verzeichnet, Erläuterungen zu den Erwerbsumständen finden sich nur bei manchen koreanischen Objekten und Zukäufen aus dem Kunsthandel. Zahlreiche vermisste Objekte ohne Nachweis zum Verbleib, verlorengegangene Objektnummern sowie Doppelungen in der Nummernvergabe erschweren die Erforschung. Von Februar bis Juni 2024 zeigte das Missionsmuseum eine Sonderausstellung zu den Quellen der Sammlung mit detaillierten Informationen.
Etwa 9% des Bestands (religiöse, liturgische und zeremonielle Gegenstände) wurden als kulturell sensible Objekte identifiziert. Eine solche Quellenlage ist typisch für missionarische Sammlungen.
Im Sammlungsbestand des Museums befinden sich keine menschlichen Überreste.
Bei der Erforschung der Provenienzen konnten keine expliziten Unrechtskontexte festgestellt werden. Mindestens aber wurden die Objekte unter der Voraussetzung eines Machtgefälles erworben. Durch den viele Jahrzehnte andauernden Mangel an Dialog mit den Herkunftsgesellschaften gingen das Wissen und die Kenntnisse über den Erwerb unserer Sammlungsobjekte verloren.
PROVENIENZFORSCHUNG
Der zur Zeit der Sammeltätigkeit unerhebliche Erwerbskontext wurde überwiegend nicht verschriftlicht. Das Missionsmuseum