RÜCKGABEN

Der 2018 vom französichen Präsidenten Macron beauftragte “Bericht über die Restitution afrikanischer Kulturgüter” löste international zahlreiche Stellungnahmen aus. Die Autoren Bénédicte Savoy und Felwine Sarr plädierten für eine Rückführung von Kulturgütern, wenn diese von den Herkunftsländern beansprucht werden.

Neben dem Erwerb von Objekten aus kolonialem Kontext rückten insbesondere wertvolle Kulturgüter in den Vordergrund der Diskussion, die im Rahmen von "Strafexpeditionen", durch Diebstahl bzw. Hehlerei oder illegalen Handel in europäische Sammlungen gelangt waren. Die Rückerstattung dieser unrechtmäßig, gewaltsam oder durch Erpressung enteigneten Objekte ist seither auch Gegenstand des öffentlichen Interesses. 
Die Rückführung menschlicher Überreste (human remains) aus wissenschaftlichen oder ethnologischen Sammlungen, die von den Herkunftsfamilien z. T. seit Jahrzehnten gefordert wird, bildet einen weiteren Schwerpunkt.

Das Missionsmuseum besitzt keine Exponate aus diesen Kategorien – der Schwerpunkt der Sammlung liegt überwiegend auf der Alltagskultur. 

Rechtliche Situation

Eine Herausforderung stellt das Auffinden von Rechtsnachfolgern oder Erben des entwendeten Kulturguts dar. Die Provenienzforschung ist in ethnologischen Museen, insbesondere aber bei missionarischen Sammlungen wegen der meist lückenhaften Dokumentation mit großen Schwierigkeiten verbunden. 

Da zudem die Umstände der Entwendung von Kulturgütern sehr unterschiedlich bewertet werden, entstehen Diskussionen auf juristischer, politischer und moralischer Ebene. 

Die Rechtslage in Deutschland sieht derzeit keine Rückführung von Kulturgut vor, sofern es nicht unter die Haager Konvention (Aneignung während bewaffneter Konflikte) fällt. Der Gültigkeitszeitraum der UNESCO-Resolution (1970) und des Kulturgutschutzgesetzes (2007/2016) erstrecken sich nicht auf die Kolonialzeit; die Washingtoner Prinzipien (1989) beziehen sich auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Raubgut. 

Die "Erklärung über die Rechte der indigenen Völker" vom September 2007 der Vereinten Nationen, die Herkunftsgesellschaften berücksichtigt, entfaltet nur rechtliche Bindung, soweit sie auf bereits geltendes Völkerrecht verweist.
Der Deutsche Bundestag führt jedoch aus, dass weder ein völkerrechtlicher noch ein völkergewohnheitsrechtlicher Anspruch auf eine Rückführung von Kulturgütern besteht, die in Friedenszeiten aus den Ursprungsstaaten nach Deutschland verbracht wurden; daher kann die Erklärung der UN keinen solchen Anspruch vonseiten der Ursprungsstaaten untermauern.

Lediglich die UNIDROIT-Konvention (1995) erfüllt die Bedingungen einer Rückgabe; allerdings hat Deutschland, wie viele andere Nationen, diese Konvention bisher nicht ratifiziert. 

Alternative Verpflichtungserklärungen

Als Antwort auf die aktuelle Rechtslage unterzeichneten 26 große deutschsprachige Museen und Sammlungen 2019 die "Heidelberger Stellungnahme zur Dekolonisierung von Museen", die ein größtmögliches Maß an Transparenz bezüglich der Sammlungsobjekte und den Dialog mit Herkunftsgesellschaften betont. 

Das Missionsmuseum schließt sich dieser Stellungnahme an und beteiligt sich darüber hinaus an der 3-Wege-Strategie zur digitalen Veröffentlichung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Leitfäden und Richtlinien der ICOM, des Deutschen Museumsbunds und des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste* zum Thema finden Anwendung in unserer Museumsarbeit.

Eine weitestmögliche Aufarbeitung und Erforschung ist nicht zuletzt für die Diskussion um eine Wiedergutmachung nötig. Koloniale Herrschaftssysteme haben nicht nur in der Geografie, sondern auch in Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen dem Globalen Norden und den ehemals Kolonisierten Spuren hinterlassen, die bis heute fortwirken. 

Kooperation statt Restitution

Bisher wurden keine Forderungen nach Restitution von Objekten an das Missionsmuseum gestellt. Unsere positive Haltung zu Rückgaben spiegelt sich auch in unserem Leitbild und im Restitutionskonzept. Das Museum setzt jedoch seit vielen Jahren erfolgreich auf das Konzept freiwilliger Rückgaben im Rahmen von Kooperationen.

Im Rahmen einer Kooperation haben wir aus eigener Initiative bereits Schenkungen an die Republik Korea (Südkorea) veranlasst, s. hierzu unsere Webseite Rückgaben. Mit Tansania entstehen derzeit ebenfalls Kooperationen mit Herkunftsgesellschaften.

Unsere Motivationen für eine Rückgabe bzw. Schenkung eines Objekts sind - neben großer emotionaler Bedeutung des Objekts für die Herkunftsgesellschaft - sein Seltenheitswert und seine Bedeutsamkeit für die Forschung. 

Aktuelle Situation

Aus Afrika sind überwiegend positive Reaktionen auf den Bericht von Savoy und Sarr zu beobachten, es wurden bereits in einigen Ländern bedeutende Restitutionen durchgeführt. Einige afrikanische Kuratoren stehen den Rückgaben wegen der großen Zahl von Kulturgütern und der mangelhaften Ausstattung einheimischer Museen auch kritisch gegenüber. Kulturwissenschaftler führen aus, das in Afrika wenig Interesse an Museen bestünde, da die Objekte aus historischen Kulturen stammen und ihre spirituelle Funktion in der heutigen globalisierten afrikanischen Welt nicht mehr bekannt ist. 

Unter europäischen Museumsdirektoren sind neben bejahenden Positionen zur Rückgabe auch Stellungnahmen vertreten, die lediglich Leihgaben zulassen oder eine Restitution ablehnen mit der Begründung, dass wertvolle Kulturgüter als allgemeines Erbe der Menschheit (shared heritage) in europäischen Museen besser geschützt und präsentiert werden könnten als in den Herkunftsländern. Auch in anderen europäischen Ländern fehlt z.T. die Rechtsgrundlage für eine Rückführung von Kulturgut.

 

* Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste fungiert als zentraler Ansprechpartner; durch diese Stiftung werden seit 2018 Forschung und Auskünfte auch zu Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten betrieben. Das Missionsmuseum ist Mitglied einer Arbeitsgruppe, die sich mit Kulturgütern aus missionarischen Sammlungen befasst.